Unser Forschungsprojekt
Unser Pilotprojekt
1. Projektaufbau
Das Forschungsvorhaben ist ein wissenschaftliches Kooperationsprojekt unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, Professor für Energiefragen der Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School – University of Applied Sciences mit Unterstützung von Prof. Dr.-Ing. Clemens Felsmann, Professor für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung an der Technischen Universität Dresden. Es gliedert sich in insgesamt zwei Bereiche:
Praktischer Pilotversuch über den Einsatz technischer Maßnahmen für bessere Wärmeverteilung und Nutzerverhalten:
Anhand der Verbrauchsdaten von rund 80 Gebäuden mit etwa 800 Wohnungen wurden die Effekte des hydraulischen Abgleichs sowie von smarten Thermostaten, Verbrauchsvisualisierung, Smart Home-Systemen und Systemen für Lüftungsassistenz untersucht.
Projektzeitraum: Herbst 2016 bis Herbst 2018.
Studie zum Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz
von Heizungsaltanlagen im Bestand (gefördert durch BMWi):
In rund 100 Gebäuden werden die Möglichkeiten erforscht, die Effizienz bestehender Heizkessel zu verbessern. Neben einer Bestandsaufnahme und grundsätzlichen Überprüfung der Betriebsbedingungen werden z.B. auch die Einstellungen der Heizkurve und der Umwälzpumpe untersucht. Auch die konsequente Anpassung der Heizzeiten an die Jahreszeiten bzw. den Bedarf der Bewohner und der Austausch des Heizkessels sind Teil der Studie, ebenso tiefergehende Kenntnisse über die Möglichkeiten von Nutzerassistenzsystemen sowie die Interdependenzen im gesamten Heizungssystem.
Das Projekt wird mit rund 1,1 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert
Projektzeitraum: Winter 2018 bis Winter 2020.
Die untersuchten Gebäude sind deutschlandweit verteilt und haben im Schnitt zehn Wohnungen. Damit entsprechen sie dem durchschnittlichen Mehrfamilienhaus. Beim praktischen Pilotversuch gibt es neben den Wohnungen und Häusern mit eingebauten technischen Maßnahmen auch sogenannte „Referenzgebäude und –wohnungen“. Auch in ihnen wird die Verbrauchsentwicklung beobachtet, um aus dem Unterschied sicher Rückschlüsse auf die Wirkung der untersuchten Technologien zu bekommen.
2. Pilotversuch zum Einsatz technischer Maßnahmen
Untersuchte technische Maßnahmen
Hier werden die einzelnen technischen Maßnahmen vorgestellt, die für eine bessere Wärmeverteilung und sparsameres Verbrauchs- und Lüftungsverhalten sorgen sollen und im praktischen Pilotversuch erforscht werden. Die meisten Menschen kennen einige dieser Lösungen, wie genau sie funktionieren ist jedoch wenig bekannt. Wichtig ist: Sie sind einfach umsetzbar und zu bedienen. Und sie sorgen für ein Mehr an Komfort und für ein besseres Wohnraumklima.
Beim „hydraulischen Abgleich“ wird das warme Wasser im Heizungssystem genauso verteilt, wie es für die gleichmäßige Erwärmung aller Räume notwendig ist. Ohne diesen Abgleich variiert der Druck an den einzelnen Entnahmestellen und die Wärme wird ungleichmäßig auf die Heizkörper in den einzelnen Wohnungen verteilt. Einige Heizkörper werden dann nicht warm, obwohl die Heizung voll aufgedreht ist. Andere werden zu heiß, obwohl die Bewohner nicht oder nur wenig heizen wollen.
Das Ergebnis: Die Bewohner können die Temperatur nicht richtig regulieren, der Heizkessel muss auf eine höhere Temperatur aufheizen und damit mehr leisten als nötig, um alle Wohnungen warm zu bekommen. Dadurch wird viel Energie verschwendet. Außerdem neigen Heizkörper in einem nicht abgeglichen System zu störenden Geräuschen („Gluckern“).Im Pilotprojekt werden zwei Maßnahmen zum hydraulischen Abgleich untersucht:
- „Strangregulierventile“, die den Druck an den Heizungsrohren im Heizungskeller für mehrere Heizkörper gleichzeitig angleichen.
- „Dynamische Heizkörperventile“, die an jedem Heizkörper hinter dem Thermostatkopf angebracht werden und so jeden einzelnen Heizkörper mit dem optimalen Druck versorgen. Sie reagieren auch, wenn sich der Druck in den Rohleitungen ändert – etwa wenn in einer der Wohnungen alle Heizkörper ganz ausgestellt werden.
Im Rahmen des Pilotversuch werden „„Dynamische Ventile“ als einzelne Maßnahme oder in Verbindung mit „Smarten Thermostaten“ untersucht.
„Smarte Thermostate“ sind auf den ersten Blick gewöhnliche Heizkörperthermostate: Man kann die Wunschtemperatur einstellen und sie sorgen dafür, dass der Raum immer auf dieser Temperatur gehalten wird.
Anders als bei herkömmlichen Thermostaten sind sie jedoch programmierbar. Das heißt, der Bewohner kann genau voreinstellen, an welchem Tag er es wann wie warm haben möchte. Der Heizkörper gibt dann zum Beispiel am Wochenende auch tagsüber Wärme ab, während er unter der Woche tagsüber runterfährt, wenn die Bewohner nicht zu Hause sind. Wenn gewünscht, lassen sich die Smarten Thermostate auch jederzeit über ein Display anders einstellen, als programmiert.
Smarte Thermostate vereinfachen so sparsames Heizen, weil nicht mehr jeden Morgen oder Abend an allen Heizkörpern die Temperatur herauf oder heruntergeregelt werden muss.
Außerdem reagieren Smarte Thermostate intelligenter auf geöffnete Fenster und Stoßlüften: Während bei gewöhnlichen Thermostaten aufgrund der plötzlichen, kalten Luftzufuhr der Heizkörper stark zu heizen beginnt und somit besonders viel Wärme aus dem Fenster verloren geht, erkennt ein Smartes Thermostat in dem plötzlichen Temperatursturz einen Lüftungsvorgang und regelt die Wärmeabgabe nach unten.Im Rahmen des Pilotversuch werden „Smarte Thermostate“ als einzelne Maßnahme oder in Verbindung mit „Dynamischen Ventilen“ untersucht.
Gegenwärtig haben die meisten Menschen kein genaues Bild davon, wie viel Wärme sie täglich verbrauchen. Die Folge ist, dass sie zum Beispiel auf einen sehr hohen Wärmeverbrauch nicht reagieren können. Je besser die Kenntnis des Verbrauchs ist, desto besser lässt sich aber Heizenergie einsparen.
Bei der Verbrauchsvisualisierung bekommen die Bewohner im Rahmen des Pilotprojektes die Möglichkeit, über ihr Handy oder ihren Computer jederzeit ihren aktuellen Wärmeverbrauch einzusehen und zu überprüfen. Das passiert über ein Internetportal, das den Teilnehmern auch zeigt, wieviel sie im Vergleich zum Durschnitt der anderen Bewohner in ihrem Haus verbrauchen, wieviel sie pro Zimmer verbrauchen und wie sich ihr Verbrauch im Vergleich zum Vorjahr entwickelt.
So haben sie jederzeit die Möglichkeit, ihr Heizverhalten anzupassen.
Im Rahmen des Pilotversuchs wird „Verbrauchsvisualisierung“ als einzelne Maßnahme oder in Verbindung mit „Smart Home“ untersucht.
„Smart Home“ bedeutet allgemein, dass verschiedene Geräte in der Wohnungen miteinander vernetzt sind, zentral gesteuert werden können und bei Bedarf intelligent reagieren. Das funktioniert nicht nur mit Lichtschaltern, Fernsehern und Steckdosen sondern auch mit Heizkörpern.
Im Pilotversuch bekommen die Teilnehmer ein „Smart Home-System“, das aus besonders smarten Thermostaten, einem Steuerungsdisplay in der Wohnung und einer App besteht. Über das Display oder die App lassen sich die Heizkörper noch bequemer und flexibler steuern.
Das System erlaubt sehr einfach und intuitiv die Programmierung, spontane Veränderung der Wunschtemperatur oder vorausschauende Steuerung von Unterwegs, falls der Bewohner früher oder später wieder nach Haus kommt, als gedacht.
Die Teilnehmer können so ihre Heizkörper jederzeit bei Bedarf rauf oder runterfahren und nutzen so nur dann Wärmeenergie, wenn sie diese auch wirklich brauchen. Zudem erkennen die „Smarten Thermostate“ automatisch, wenn die Bewohner lüften und fahren dann die Temperatur nicht hoch.
Im Rahmen des Pilotversuch wird „Smart Home“ als einzelne Maßnahme oder in Verbindung mit „Verbrauchsvisualisierung“ untersucht. Bei der Verbindung erhalten die Teilnehmer zusätzlich über die App und das Display alle aktuellen Verbrauchsinformationen.
Beim richtigen Lüften kommt es darauf an, Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt der Raumluft zu regulieren ohne dabei unnötig viel Wärme durch das Fenster entweichen zu lassen. Dabei ist es nicht nur wichtig, das Fenster kurz zum Stoßlüften zu öffnen und nicht dauerhaft gekippt zu lassen. Auch der richtige Lüftungszeitpunkt und die –dauer spielen eine große Rolle.
Im Rahmen des Pilotversuchs werden zwei unterschiedliche „Lüftungsassistenzsysteme“ untersucht, die die Teilnehmer beim Lüften mit möglichst geringem Wärmeverlust und für ein optimales Raumklima unterstützen.
- Lüften auf Basis der „relativen Luftfeuchtigkeit“: Temperaturfühler und Luftfeuchtigkeitsmesser jeweils in jedem Raum und außen erfassen, wann es Zeit zum Lüften ist. Über eine App wird der Bewohner per Push-Nachricht darüber informiert. Eine zu hohe relative Luftfeuchtigkeit kann Schimmel nach sich ziehen und führt auch dazu, dass mehr Heizwärme benötigt wird, damit die Luft sich warm „anfühlt“.
- Lüften auf Basis des „CO2-Gehalts“ der Luft: Dabei messen Sensoren den CO2-Gehalt der Luft in jedem Raum. Ist der zu hoch, ist die Luft stickig und das Raumklima nicht gut. Über eine rote CO2-Ampel wird der Bewohner dann informiert, dass es Zeit zum Lüften ist . Sobald ausreichend CO2 durch das Fenster entwichen ist, wird die Ampel wieder grün.
3. Projektergebnisse
(Stand: Dezember 2019)
Rund 700 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in ganz Deutschland waren über zwei Heizperioden hinweg Teil des Praxisversuchs. Über 13 Milliarden Messwerte aus über 5700 Messstellen sind in die Ergebnisse eingeflossen. Das Projekt ist damit einer der umfassendsten bisher in Deutschland durchgeführten Praxistests zum Thema.
Die Ergebnisse lassen sich in den folgenden Kernerkenntnissen zusammenfassen:
- Es wurde eine Reihe maßgeblicher Erfolgsfaktoren für den Einsatz digitaler Nutzerunterstützung / smarter Systeme empirisch ermittelt.
- Hierzu zählt vor allem, dass der Einsatz digitaler Systeme eine Gesamtbetrachtung und intergierte Optimierung des Systems aus Erzeugung – Verteilung – Nutzung voraussetzt.
- Wärmeerzeugungsanlagen müssen nicht nur optimal auf das weitere System (hydraulischer Abgleich, Wärmebedarf des Gebäudes) eingestellt, sondern diese optimale Einstellung aktiv dauerhaft gewährleistet werden.
- Smarte Heizkörperthermostate müssen nicht nur korrekt installiert, sondern auch regelmäßig und bestimmungsgemäß genutzt werden, um Einsparungen zu erzielen.
- Unter solchen optimierten Voraussetzungen war für Wohnungsnutzer eine Reduzierung des Wärmeverbrauchs um bis zu 26 Prozent möglich.
Detailliertere Informationen zu den Ergebnissen des Pilotversuchs zum Einsatz technischer Maßnahmen stehen hier bereit.
Im Rahmen der Studie zum Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Bestandsheizungsanlagen werden diese Erkenntnisse bis 2020 weiter vertieft und um zusätzliches Wissen über die komplexen Zusammenhänge im Heizungssystem ergänzt.
3. Studie zum Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz
von Heizungsaltanlagen im Bestand („BaltBest“)
Bereits der Pilotversuch zum Einsatz technischer Maßnahmen brachte etliche Erkenntnisse über die Auswirkungen eines dauerhaft optimierten Anlagenbetriebs auf den Wärmeverbrauch. In einem zweiten Forschungsprojekt werden diese Erkenntnisse nun vertieft und erweitert. Das Projekt trägt den Namen „BaltBest – Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Bestandsheizungsanlagen in Mehrfamilienhäusern“ und wird mit über 1,1 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. In diesem Projekt untersucht die Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand unter anderem
- den Effizienzgewinn beim Austausch älterer Heizungsanlagen
- die Bedeutung einer optimalen Einstellung der Steuerung und Regelung von Heizungsanlagen im Zusammenspiel mit den Nutzern
- das Gesamtsystem mit dem Ziel, das Zusammenspiel von Anlagentechnik (Wärmeerzeugung und -verteilung), Nutzerverhalten und baulichen Maßnahmen zur energetischen Sanierung zu verstehen.
Konkrete Maßnahmen, die im Rahmen von BaltBest im Praxisbetrieb untersucht werden, sind insbesondere:
- Austausch des Wärmeerzeugers
- Optimierung der Betriebsführung der Heizungsanlage durch bessere Anpassung der Wärmeerzeugung an den Wärmebedarf (Einstellung der Heizkennlinie zur Absenkung der Vorlauf-Temperaturen, Zeitprogramme)
- Hydraulischer Abgleich, hier insbesondere Möglichkeiten für eine Senkung der Rücklauf-Temperaturen und Rohrleitungsverluste
- Anpassung der Kesselbetriebsführung auf die Trinkwassererwärmung in den Sommermonaten
- Anpassung der elektrischen Leistungsaufnahme der Umwälzpumpen an die lokalen Gegebenheiten zur Reduzierung des Hilfsenergieeinsatzes
- Nutzer-Assistenzsysteme, wie zeitgesteuerte Einzelraum-Temperaturregelung, und ihre Wirkung.
Untersuchte Einflussfaktoren auf die Energieeffizienz der betrachteten Gebäude:
- Güte der Verbrennung (Verbrennungsluft-Temperaturen, Abgastemperaturen)
- Bereitschaftsverluste (Anzahl der Brennerstarts)
- Ausnutzung des Brennwerteffekts
- Regelungstechnik des Wärmeerzeugers (Heizkennlinie, Nachtabsenkung)
- Pumpenregelung (Volumenstrom, Druck)
- Wärmeverluste der Verteilung (Vor- und Rücklauftemperaturen)
Wärmeströme
- zwischen den Wohnungen
Effiziente Nutzung der Assistenzsysteme (Heizkörper- und
- Raumtemperaturen, Verbrauchseinheiten der Heizkostenverteiler, Ventilstellungen)
Basis des Projektes sind die Heizungsanlagen in rund 100 Mehrfamilienhäusern in Deutschland.
BaltBest ist im Winter 2018 gestartet und umfasst zwei Heizperioden bis 2020. Weitere Informationen zu BaltBest finden Sie hier.